Traditionelle Hochburgen: Detroit, Miami, Mexico-Stadt, Montreal, Madrid
Der Erzfeind der Camarilla ist die als Sabbat bekannte, monströse Sekte. Die meisten vampirischen Fraktionen glauben, das sogenannte „Schwert Kains“ sei eine Ansammlung hirnloser Barbaren und extrem brutaler Unholde oder gar Dämonenanbeter, die darauf aus sind, Satan auf die Erde zu beschwören. Insofern wird der Sabbat von der gesamten vampirischen Gesellschaft verteufelt.
Sie fürchtet den Sabbat mit Recht, aber nicht aus den richtigen Gründen.
Während die „Kainskinder“ (ein Begriff, den der Sabbat verabscheut) sich inmitten der Sterblichen verbergen und sich an überkommene Traditionen klammern, zieht es der Sabbat vor, sein Vampirsein auszuleben. Seine Anhänger weigern sich, die zerfetzten Lumpen der Menschlichkeit zu tragen oder sich als Sklaven und Vieh ihren Ahnen unterzuordnen. Außerdem sind Vampire Sterblichen eindeutig und unübersehbar überlegen – liegen denn die Menschen bei den Kühen und nennen sie Geschwister? Von daher betrachten Sabbat-Vampire Sterbliche bestenfalls als Werkzeuge und Nahrung und haben wenig Geduld mit „Kainiten“, die vorgeben, Menschen zu sein. Sie sind von Natur aus fremdartig und im wahrsten Sinne des Wortes unmenschlich.
Aber das Schwert Kains ist nicht nur eine Ansammlung blutbesudelter Irrer, die mit Kettensägen durch Einkaufszentren rennen. Seine Mitglieder lehnen die Menschlichkeit als moralische Unlebensgrundlage ab und haben sich deswegen Alternativen gesucht. Sie folgen den sogenannten Pfaden der Erleuchtung (s.S. 313), philosophischen Kodizes, die das Tier in geordnete Bahnen lenken und dem Kainiten erlauben, Nacht für Nacht eine einigermaßen stabile Existenz zu führen (wenn sie auch nicht unbedingt seine geistige Gesundheit garantieren). Außerdem lehnt sich der Sabbat nicht nur gegen Moral auf, sondern auch gegen den eigenen Hang zur Einsamkeit. Seine Anhänger schließen sich oft zu Rudeln zusammen, die zu einem Drittel religiöse Kulte, zu einem weiteren politische Fraktionen und zum dritten Kampfeinheiten sind.
Im Spannungsfeld zwischen moralischen Grundsätzen, Loyalität zum Rudel und dem Bedürfnis zur Rebellion fehlt Sabbatstädten das ruhige, beherrschte Ambiente der Camarilla-Höfe. Die „Diözesen“ des Sabbats stehen ständig unter Hochspannung, und die Umgebung der Kainiten spiegelt oft ihr explosives Wesen wider. In Städten unter Sabbatkontrolle sind Mord, Raub, Vergewaltigung und Körperverletzung an der Tagesordnung. Das Schwert Kains stellt für jede Stadt, die es kontrolliert, eine Gefahr dar, da es sich in der Stadtlandschaft ausbreitet, bis davon nicht mehr viel übrigbleibt als ein Rohstofflieferant für den ewigen Kreuzzug. Auch wenn der Sabbat vielleicht nicht „böser“ ist als manche Ahnen der Camarilla, sind seine zerstörerischen Akte und seine ausgefeilten, schrecklichen Spielchen ganz ohne Frage weit unverblümter.
Wegen dieser Spannungen stellt der Sabbat alles andere als eine Einheit dar, und innerhalb der Sekte gibt es zahlreiche Vampirfraktionen, die lediglich unter dem Banner des Sabbats geeint sind. Eine der gefürchtetsten ist die Schwarze Hand, eine Spezialmiliz, die sich in den Rudeln des Schwerts Kains verbirgt. Alle Mitglieder der Schwarzen Hand tragen ein Erkennungszeichen – ein unauslöschliches, mystisches Symbol auf der rechten Handfläche. Dieses Brandzeichen kann man zwar verbergen oder überschminken, aber niemals entfernen – wenn man der Hand angehört, ist man bis zum endgültigen Tod Mitglied. Der Sabbat hat auch seine eigene Inquisition, eine kleine Gruppe von Kainiten, deren Aufgabe es ist, Ketzer und Infernalisten auszurotten. Wenn sie jemanden als Infernalisten bezeichnet, wird dem kaum jemand widersprechen, und die Gruppierung foltert, um die erforderlichen Geständnisse zu erzwingen.
Die Fraktion der Loyalisten hält sich für den „wahren“ Sabbat und behauptet, jeder Vampir sei sein eigener Herr.
Sie predigen, jeder Vampir sei frei zu tun, was immer er will, und widersetzen sich oft den Befehlen ihrer Anführer, nur weil sie es für angemessen halten.
Es gibt außerdem die Fraktion des Status Quo, die das Wesen der Vampire akzeptiert und weiß, dass wer an den Grundfesten des Sabbats rührt, nur die Erreichung seines großen Ziels verzögert. Die Gemäßigten stellen sich gegen das, was sie als zunehmende Rigidität innerhalb der Sekte empfinden, gegen die Zunahme von Regeln und Richtlinien, die unter Kreaturen wie Vampiren keinen Platz haben. Die Fraktion steht zwischen dem Dogma der Loyalisten und dem Konservatismus des Status quo. Die Ultrakonservativen schließlich bestehen aus den ältesten Sabbatmitgliedern, sie predigen Zentralismus und autoritäre Führung und hoffen, den Sabbat so in eine Streitmacht gegen die Vorsintflutlichen und die Camarilla verwandeln zu können.
Was den Sabbat zusammenhält, ist sein geradezu religiöser Eifer, die Vorsintflutlichen zu Fall zu bringen. Wenn ein offener Bürgerkrieg zwischen Rudeln oder Ideologien auszubrechen droht, gelingt es dem Sabbat, sich unter dem Banner des gemeinsamen Hasses auf die Camarilla zu vereinen (die er als Marionette der Vorsintflutlichen sieht). Die gesamte Sekte behauptet, Gehenna sei nahe und man müsse sich auf diese Endzeit vorbereiten, in der die Vorsintflutlichen erwachen und die Welt vernichten. Wenn die Zeit gekommen ist, wird das Schwert Kains die Welt retten, und seine Mitstreiter werden ihren angestammten Platz als vampirische Herren der Nacht einnehmen.
Der Sabbat hat sich als große Bedrohung für die Camarilla erwiesen. Neugeborene, die es satt hatten, jede Nacht zuzusehen, wie dieselben Ahnen ihnen die Macht vorenthalten wie dem sprichwörtlichen Esel die Karotte, haben sich unverhohlen dem Sabbat angeschlossen. In einigen Prinzen wächst die Furcht, der Sabbat könnte eines Nachts in ihrem Elysium auftauchen und sie vernichten.
Verschiedene Städte, die jahrelang Hochburgen der Camarilla waren, sind inzwischen umkämpft oder gar ganz an den Sabbat gefallen. Mit jeder neuen Nacht werden die Maßnahmen, die zum Machterhalt zu ergreifen die Camarilla gezwungen ist, härter; Vampire, die als Sabbatanhänger bekannt sind (oder denen die Zugehörigkeit zur rivalisierenden Sekte auch nur unterstellt wird) werden ohne viel Federlesens vernichtet.
Manche Kainskinder nutzen diese zunehmend drakonische Vorgehensweise, um Rivalen loszuwerden oder in den Augen ihrer Erzeuger besser dazustehen, doch für jeden vernichteten Sabbatkainiten schließen sich mehrere neue den Reihen des Sabbat an.
Alles beim Sabbat zielt auf zwei grundlegende (und einander oft widersprechende) Prinzipien ab: Freiheit und Loyalität.
Ihr Gesetzeswerk, der Mailänder Kodex, betont beide Punkte. Kainiten dürfen nach Gutdünken handeln, müssen aber immer dem Schwert gegenüber loyal bleiben, denn nur die Sekte kann freie Vampire vor manipulativen Ahnen, vor allem den Vorsintflutlichen, schützen.
Zwei der einflussreichsten Clans der Sekte, die Lasombra und die Tzimisce, sollen ihre vorsintflutlichen Stammväter vernichtet und diableriert haben und damit den anderen Sabbat-Vampirclans mit gutem Beispiel vorangegangen sein.
Aber Prinzipien und Eifer halten das Tier nicht immer in Schach. Genau wie in der Camarilla gibt es in der Sekte eigene Rivalitäten und politische Ränkespiele sowie religiöse und philosophische Konflikte, die ganz genauso blutig werden können. Diese Konflikte zerren ständig am Schwert und halten es oft ebenso (oder gar noch massiver) vom Erreichen seiner Ziele ab wie seine Feinde. Auch wenn die Sekte organisiert und strukturiert ist, ist jeder Kainit zu sehr in einem Netz widerstreitender Loyalitäten gefangen, um sich an eine rigide Struktur zu halten. Der Sabbat hat ständig mit sich selbst zu tun, Einigkeit zeigt er nur, wenn Feinde drohen.
Das Herz des Sabbats bildet das Rudel, eine Ersatzfamilie, die durch das Vinculum (S. 288) und gemeinsame Interessen miteinander verbunden ist. Rudel sind ein so integraler Bestandteil der Sabbatgesellschaft, dass Kainiten ohne Rudel oft mit Argwohn und Misstrauen betrachtet werden. In Rudeln gibt es üblicherweise interne Auseinandersetzungen, bis sich jemand zum Anführer aufschwingt, etwa ein Priester, der die Rituale durchführt, oder ein Duktus, der Entscheider in weltlichen Fragen. Es gibt noch höhere Ränge (s. S. 27), aber im Gegensatz zur Camarilla, in der alle Gewalt vom Prinzen ausgeht, bauen diese Positionen beim Sabbat in der Regel auf den Rudeln auf.
In manchen Diözesen gibt es gar keine höheren Würdenträger, sie lassen die Rudel lieber in eigener Regie existieren (oft mit sehr gemischten Ergebnissen).
Abgesehen von den Lasombra und Tzimisce sehen sich die meisten Sabbatvampire als „Gegen-Clans“ oder Antitribu ihrer Stammclans. Manche pervertieren die Erwartungen ihrer Clans, während andere die Grundideen ihrer Abstammung in einem möglichst monströsen Extrem ausleben. Ein paar sind sogar zu neuen Blutlinien geworden, die aufgrund ihrer Stellung innerhalb des Sabbats andere Disziplinen ausprägen (s. Kapitel zehn, S. 428, Antitribu.)
Wenn es sich nicht um sogenannte „Schaufelköppe“ handelt, die in Kriegszeiten hastig den Kuss empfangen, eine Schaufel über den Schädel bekommen haben und gezwungen wurden, sich aus ihrem eigenen Grab zu befreien, machen die meisten Sabbat-Vampire Erschaffungsriten durch, die ihnen die Möglichkeit geben sollen, sich als wahre Sabbatmitglieder zu erweisen. Dabei müssen sich diese neuen Vampire ihrem Erzeuger oder Rudel beweisen, oft in einer Weise, die ihnen einen Großteil ihrer Menschlichkeit raubt und das Küken vom schwachen, jämmerlichen Menschen in ein echtes Monster verwandelt, dass der Sekte würdig ist.
Aus Spott für die Religion der Menschen sind viele der Rituale (oder „Ritae“) und Konventionen des Sabbats Zerrbilder derer der katholischen Kirche. Eines der bedeutendsten ist die Vaulderie (S. 288), eine Travestie der Eucharistie, bei der Kainiten ihr Blut in einen Kelch geben und dann die gemischte Vitae trinken, um ihre Loyalität untereinander zu stärken. Sie praktizieren auch eine große Vielfalt anderer Rituale. Feuer, Blut und Gewalt sind häufig wiederkehrende Themen in ihren „Ritae“, und die damit verbundenen Rituale reichen von Feuertänzen über zeremonielle Morde bis hin zur Angewohnheit, bekannte Spiele und Sportarten zur Ausrede für brutales, blutiges Gemetzel zu pervertieren. Die Unleben der Kainiten sind anstrengend und voller Widrigkeiten, und die Ritae erlauben Ihnen, Dampf abzulassen und wieder einen Zugang zu anderen Vampiren zu finden, ehe sie sich wieder auf den Weg des Misstrauens und der internen Konflikte zurückgegeben. Das Ziel dieser Rituale ist es nicht nur, Solidarität unter Sabbatvampiren schaffen zu helfen, sondern auch, die Leistungsfähigkeit ihrer vampirischen Leiber zu steigern und sie für den Krieg zu erproben.
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Die Camarilla Eine Sabbatstadt ist wie ein Land in der Dritten Welt, das von Dämonenanbetern regiert wird. Vertrauen Sie mir – wir tun das Richtige, wenn wir diese Bastarde auszurotten versuchen.
Die Anarchen Sie tarnen Blutsbande und religiösen Fanatismus als „Freiheit“. Einige der jüngeren Rekruten haben Spaß an der Gewalt und der rebellischen Attitüde, aber ich durchschaue, was da wirklich vor sich geht.
Die Unabhängigen An einem Tag sind sie dein Freund, und am nächsten versuchen sie, dir das Gesicht abzureißen, weil du ein falsches Wort gesagt hast. Wer mit dem Sabbat spielen will, sollte mit harten Bandagen spielen oder es gleich ganz sein lassen.
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